Parc Ela erlebbar machen 

Wie produzieren wir nachhaltige, authentische Lebensmittel, die lokal verarbeitet und angeboten werden? Diese Frage stand im Mittelpunkt der ersten PLUS Change Co-Creation Session für den regionalen Naturpark “Parc Ela” in der Schweiz.

Die Auswirkungen des Klimawandels sind auch im Parc Ela deutlich spürbar. Die Landwirte in diesem Gebiet sind besonders von den sich ändernden Niederschlagsmustern betroffen. Sie erleben mehr Wetterextreme wie starke Regenfälle und längere Trockenphasen. Dies wirkt sich auf die traditionellen Anbaumethoden und Ernteerträge aus. Aber auch der Tourismus bekommt die Auswirkungen zu spüren, zumal die Wintersportsaison immer kürzer wird. Neben dem Klimawandel steht die Region auch vor sozioökonomischen Herausforderungen. Hohe Wohnungspreise und eingeschränkte Bildungs- und Berufschancen für Einheimische führen dazu, dass junge Menschen aus der Region abwandern.

Lokale Inwertsetzung 
Wie kann die Region mit all diesen Herausforderungen umgehen? Um diese Frage zu beantworten, muss man möglichst viele Interessengruppen und Wissenspartner an einen Tisch bringen. Deshalb waren neben einem Kommunalpolitiker auch eine Reihe von Landwirten, Verarbeitende (z. B. ein Käser) und Planer, Waldbewirtschafter und Personen aus der Tourismusbranche anwesend. In der ersten Runde ging es darum, eine gemeinsame Richtung zu finden. Nach den ersten Gesprächen fanden die Teilnehmer eine gemeinsame Aufgabe in der Frage: Wie können wir das, was im Parc Ela vor Ort gemacht und getan wird, mehr wertschätzen, so dass sowohl Einheimische als auch Gäste das Gebiet und seine Herausforderungen wirklich schätzen? Die Teilnehmenden sehen Wertschätzung als Voraussetzung für die notwendigen Veränderungen, die dazu beitragen können, dass der Parc Ela eine nachhaltige und klimaresiliente Landnutzung erreicht.

Hohe Qualität

Der Parc Ela ist der größte Naturpark der Schweiz, mit einer atemberaubenden Alpenlandschaft und einer vielfältigen Flora und Fauna. Mit seinen unberührten Seen, dem kulturellen Erbe und den traditionellen Bergdörfern ist das Gebiet bei Touristen sehr beliebt. Sowohl im Winter als auch im Sommer. Wie in anderen Bergregionen der Schweiz, wird auch im Parc Ela in den Sommermonaten Alpwirtschaft betrieben. In den Tälern betreiben einige Landwirte Ackerbau. Und in den Wirtschaftswäldern, in denen vor allem Fichten und Föhren wachsen, wird Holz für Bau- und Energiezwecke produziert. Im Parkgebiet werden hauptsächlich Käse, andere Milchprodukte und Fleisch produziert, ergänzt durch etwas Getreide und ein wenig Gemüse- und Obstanbau. Für alles in der Region gilt: Was vor Ort hergestellt wird, ist von hoher Qualität.

Im Gleichgewicht

Insgesamt hat der Parc Ela noch eine sehr ursprüngliche Landschaft, in der die Bewohner vom Land und vom Tourismus leben. Das Verhältnis von Natur, Landwirtschaft, Viehzucht, Forstwirtschaft und Menschen in diesem Gebiet scheint ausgewogen zu sein. Das bedeutet, dass sich diese Arten der Landnutzung nicht sofort ändern müssen, um das Gebiet klimaresilienter zu machen. Was sich jedoch ändern muss, ist die Art der Bewirtschaftung. Denn wir müssen die Vielfalt sowohl in der Forst- als auch in der Landwirtschaft erhöhen, um die Widerstandsfähigkeit gegenüber Schadorganismen und Wetterextremen zu verbessern. Dabei ist zu beachten, dass die Möglichkeiten für Veränderungen stark von den Bedingungen der Gebirgslandschaft abhängen. So gibt es z.B. an den oft steilen Hängen keine Möglichkeiten für Ackerbau. Durch veränderte Anbaumethoden wird sich die Landschaft letztlich verändern.

Neues Wagen

In diesem Sinne bieten das wärmere Klima und die längere Vegetationsperiode aufgrund des Klimawandels auch Möglichkeiten, mit “neuen” Kulturen wie Bohnen und Kartoffeln sowie mit Waldgärten zu experimentieren. Bei der Agroforstwirtschaft kann man Acker, Wiesen oder Weiden mit Obstbäumen und Sträuchern kombinieren, was zu einer größeren Artenvielfalt und besseren Böden führt. “Alles beginnt mit einem Baum”, sagt einer der Teilnehmenden. Wenn der Boden für alle Arten von Bäumen geeignet ist, kann man dort auch problemlos andere Pflanzen anbauen. Mit dem Projekt “Klimaneutrale Landwirtschaft Graubünden”, unterstützt die Region Versuche mit Anbaumethoden, die den Klimawandel abmildern und sich gleichzeitig an ihn anpassen. Die Region hofft, dass die Landwirte mit dieser Unterstützung mehr Experimente wagen werden.

Bergkartoffeln
Einer der anwesenden Landwirte hat vor Jahren erstmals mit dem Anbau von Kartoffeln im Tal experimentiert. Damals wurde er für verrückt erklärt, heute verkauft er seine exklusiven Bergkartoffeln an renommierte Restaurants in Zürich und anderswo. Wie die Bergkartoffeln, werden auch viele andere Produkte aus der Region ausserhalb des Parc Ela verkauft, wobei die Teilnehmenden sich wünschen, dass ein grösserer Anteil an lokal produzierten Waren auch vor Ort angeboten wird. Der manchmal exklusive Charakter lokaler Produkte – die Herstellung in den Bergen ist nach wie vor mit viel Arbeit und Zeit verbunden – bedeutet jedoch auch, dass die Preise oft höher sind und die Menschen vor Ort im Supermarkt eher zu anderen Produkten greifen. Die Sensibilisierung kann dazu beitragen, dass die Menschen verstehen, warum die Preise höher sind.

Erlebbar

In diesem Zusammenhang glauben die Teilnehmer fest an das Geschichtenerzählen. Geschichten, die erzählen, was die Region einzigartig macht, aber auch, was die (Klima-) Herausforderungen in der Region sind- damit man weiß, wo man ist. Die Teilnehmenden möchten diese Geschichten nicht nur in Flyern und Magazinen erzählen, sondern vor allem durch “learning by doing”. Wir müssen den Parc Ela erlebbar machen, indem wir Einheimischen und Gästen tiefere Erfahrungen bieten. Erlebnisse wie Workshops und Ausflüge mit Landwirten. Aber auch Hotels und Restaurants, die mit lokalen Produkten arbeiten und beim Servieren der Gerichte etwas über den Hintergrund der Produkte erzählen. Eine solche vertiefte Erfahrung trägt dazu bei, die Wertschätzung für die Region zu erhöhen, meinen die Teilnehmenden. Durch Bewusstseinsbildung und tiefere Erfahrungen verstehen die Menschen besser, welche Herausforderungen vor ihnen liegen, welche Veränderungen notwendig sind und welche Folgen diese Veränderungen haben. Aufgrund des Klimawandels gibt es zum Beispiel keine “Schneegarantie” mehr im gleichen zeitlichen Ausmass wie früher. Und mehr Kunstschnee ist keine Lösung, denn seine Herstellung verbraucht viel Wasser und Energie. Wir könnten uns also dafür entscheiden, den Sommertourismus solider zu gestalten. Wenn Einheimische und Gäste das verstehen, können sie besser damit umgehen, wenn sie ihre Freizeitgewohnheiten ändern sollen. Dann können die Menschen die getroffenen Entscheidungen nachvollziehen, schätzen und vielleicht sogar mittragen. Das Gleiche gilt für Landwirte und Produzenten, die ihre Arbeitsweise ändern müssen und deshalb mehr lokal verkaufen wollen. Das ist besser für das Land, besser für den Landwirt und besser für die Gäste am Tisch. Aber wenn man das nicht durch Erzählungen und Erfahrungen sichtbar oder deutlich macht, werden die Menschen es wahrscheinlich nicht immer zu schätzen wissen.

Gemeinsam weitergehen

Um diese höhere Wertschätzung für die Region zu erreichen, ist eine sektorübergreifende Zusammenarbeit erforderlich, so die Teilnehmenden. Jetzt ist jeder noch auf seiner eigenen kleinen Insel, aber gemeinsam kann man weiterkommen. So könnten beispielsweise Land- und Forstwirte bei der Agroforstwirtschaft zusammenarbeiten. Außerdem könnten Landwirte mit der Tourismusbranche zusammenarbeiten, um Einheimischen und Gästen vertiefte Erlebnisse wie aktive Mithilfe (z. B. beim Zäunen, Besuch auf der Alp, Ernten, Ausgraben von Kartoffeln, Konservieren der Ernte) zu bieten. Und auch ein jährlicher Austausch wie dieser, bei dem Menschen aus verschiedenen Bereichen zusammensitzen, trägt zur Bewusstseinsbildung bei. Die Tourismusdirektorin brachte es schön auf den Punkt: “Ich habe in drei Stunden noch nie so viel über diese Region gelernt.”

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